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MetaphysikumZwei neue Bücher Jede neue, hinreichend komplizierte, naturwissenschaftliche Theorie wird von Esoterikern und Mystikern dazu mißbraucht, ihre verqueren Ideen zu begründen. Lange mußte hierzu die Relativitätstheorie herhalten. In der letzten Zeit jedoch stürzen sich New-Age-Apologeten, Natur-Apostel und UFO-Gläubige vermehrt auf die Quanten-Theorie und auf die Forschungen zur »Künstlichen Intelligenz«. So erklärte zum Beispiel Barbara Rütting in einer Fernsehsendung, daß die Erfolge der Naturheilkunde »irgendetwas mit den Quanten« zu tun haben müsse. Ohne über die Naturheilkunde urteilen zu wollen, die »Quanten« jedoch haben am wenigsten etwas mit ihr zu tun. Daher möchte ich hier zwei Bücher vorstellen, die sich, obwohl sie im Prinzip das gleiche Thema behandeln, wegen ihrer Verschiedenheit ergänzen und helfen, die modernen Naturwissenschaften zu verstehen und ihrer Mystik zu entkleiden. Douglas R. Hofstadter, der Autor des Informatiker-Kultbuches Gödel, Escher, Bach hat bei Klett-Cotta einen neuen Band mit dem Title Metamagicum vorgelegt. Genaugenommen ist es eigentlich kein neues Buch, sondern eine korrigierte und ergänzte Fassung von Aufsätzen, die zwischen 1981 und 1983 in der Zeitschrift Scientific American und ihrer deutschen Ausgabe Spektrum der Wissenschaft veröffentlicht wurden. Auf den ersten Blick scheint es, als streifen diese Aufsätze quer durch die intellektuelle Landschaft vom Sexismus über die Musik zu Kunst und Typographie, von der Zahlentheorie über die »Künstliche Intelligenz« zur Molekularbiologie und zur Quantentheorie usw. Beim weiteren Lesen merkt man jedoch den Zusammenhang, der sich durch alle Kapitel zieht: Ein Schrei nach mehr Vernunft in Wissenschaft und Politik. Erwähnenswert sind hier etwa die Aufforderung an die Leser, eine Vorstellungskraft für große Zahlen zu entwickeln (wer kann sich z.B. unter 25 Milliarden Dollar Staatsverschuldung wirklich etwas vorstellen?), die Ausführungen zum atomaren Overkill und die Studien über menschliches (unlogische?) Verhalten angesichts der fortschreitenden Bedrohung unserer Umwelt. Erfreulicherweise verzichtet Hofstadter in diesem Buch fast gänzlich auf die New-Age-Mystik, die seine Ausführungen in Gödel, Escher, Bach so schwer verdaulich machten. Ob dies aus neuer Einsicht des Autors erfolgt ist (wie ich hoffe) oder einfach nur den mehr naturwissenschaftlich orientierten Lesern der Scientific American geschuldet ist, kann ich nicht beurteilen. Hofstadter schreibt jedenfalls in einem flüssigen, leicht verständlichen Stil und ist in der Lage, selbst komplizierte physikalische, biologische oder informationstheoretische Vorgänge dem Leser ohne entsprechende Vorkenntnisse eingängig zu vermitteln. Seine oft unorthodoxen, aber wohlbegründeten Schlußfolgerungen sind erfrischend und regen zu eigenem Nachdenken an. Eins darf jedoch nicht vergessen werden: Hofstadter ist Anhänger der »harten KI«, das heißt, er hält intelligent Maschinen, »künstliche Intelligenz« in den nächsten Jahren für machbar. Daher habe ich mit Spannung als Kontrapunkt das Buch des englischen Physikers und Nobelpreisträgers Roger Penrose Computerdenken gelesen. Penrose gilt als einer der schärfsten Kritiker der KI. Auch ich halte die Möglichkeit einer »Künstlichen Intelligenz« für einen modernen Mythos, für die zeitgemäße Form der Alchemie. Ist Hofstadter also der Mysthiker und Penrose der Rationalist? So einfach liegen die Dinge nicht. Zuerst einmal: Auch Penroses Buch ist eine Tour de Force durch die moderne Mathematik und Naturwissenschaft. Und: Computerdenken steht in der besten englischen Sachbuchtradition (Bernal, Russell, Hogben usw.), komplizierte Themen dem Laien verständlich zu vermitteln, ohne in die gnadenlose Vereinfachung zu fallen, die deutschen Sachbüchern oft eigen ist. Das Buch ist gespickt mit mathematischen Formeln, für den, der daran Interesse hat. Jedoch leidet die Verständlichkeit überhaupt nicht, wenn der Leser oder die Leserin diese Formeln einfach igonoriert. Und weiter: Noch nirgendwo habe ich eine so niveauvolle und doch verständliche Erklärung der Quantentheorie und ihrer physikalischen und philosophischen Implikationen (Zeitphänomene, »Schrödingers Katze«, etc.) gefunden. Oder Erklärungen über neurobiologische Vorgänge usw. ... Nur und jetzt kommt es während Hofstadter in Metamagicum fast durchgängig rational argumentiert, greift Penrose zur Begründung seiner Ablehnung der »Künstlichen Intelligenz« auf einen platonischen Idealismus reinster Prägung zurück, den ich nach den wissenschaftstheoretischen Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte für längst überwunden hielt. (Außer vielleicht bei einigen »traditionsbewußten« Mathematikern, die ob des Gegenstands ihrer Forschung sehr anfällig für Platonismus sind.) Trotzdem, beide Bücher sind, auch für sich allein genommen, sehr empfehlenswert. Sie machen die Diskussion in den modernen Naturwissenschaften dem Laien verständlich und regen zu eigenem Denken an. Wer nur eines dieser beiden Bücher gelesen hat, wird nicht mehr die »Quanten« für irgendwelche unerklärlichen Phänomene verantwortlich machen. Eins ist leider noch anzumerken. In Computerdenken ist eine verhältnismäßig hohe Zahl von »Druckfehlern« festzustellen. Zwar scheint im Text keiner davon sinnenstellend zu sein wie es jedoch mit den Formeln steht habe ich nicht nachgeprüft (nachprüfen können). Von einem so renommierten Verlag wie Spektrum der Wissenschaft (so langsam verrate ich meine Lieblingszeitschrift) hätte ich jedoch eine sorgfältigere Korrektur erwartet. Und nocht etwas: Im Augenblick wird die »mythenstiftende« Funktion der Quantentheorie von den Ergebnissen der "Chaos-Forschung" abgelöst. Abschreckendes Beispiel hierfür sind etwa einige Aufsätze im Kursbuch 98: »Das Chaos«. Bei Klett-Cotta ist jetzt der erste Band von Fractals for the Classroom auf deutsch (Bausteine des Chaos Fraktale) erschienen. Ich habe ihn bisher nur kurz durchblättern können, er scheint jedoch ebenfalls recht allgemeinverständlich zu sein und mit all den Mythen, die sich um »Apfelmännchen«, Fraktale und Chaos ranken, gründlich aufzuräumen. Ich werde in einer der nächsten Ausgaben darauf zurückkommen.
Douglas R. Hofstadter: Metamagicum. Fragen nach der Essenz von Geist und Struktur, Stuttgart (Klett-Cotta) 1991. Erstveröffentlichung: 'Zweitung', 17. Jahrgang, Dez. 1992
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